Wird der Radweg entgegen der angegebenen Fahrtrichtung genutzt und kommt es hierbei zu einem Verkehrsunfall, trägt der Radfahrer eine Mitschuld.
Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrrad auf einem Radweg, der allerdings nur für Radfahrer aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung freigegeben war. Der Beklagte beabsichtigte, an der Straßeneinmündung nach rechts in die Polsumer Straße abzubiegen. Beim Abbiegen kollidierte sein Fahrzeug mit dem Fahrrad der Klägerin.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten Schadensersatz, Schmerzensgeld und eine monatliche Schmerzensgeldrente.
Das Landgericht Essen hatte zunächst den Grund der Haftung aufgeklärt und der Klägerin – unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens – 80% ihres Schadens zugesprochen. Das OLG Hamm stimmte zwar dem LG dahingehend zu, dass den Beklagten die Hauptschuld an dem Unfall trifft, da er gegenüber der Klägerin wartepflichtig gewesen ist. Die Klägerin habe ihr Vorfahrtsrecht nicht dadurch verloren, dass sie den kombinierten Geh- und Radweg entgegen der Fahrtrichtung befahren habe, obwohl dieser für eine Nutzung in ihrer Fahrtrichtung nicht mehr freigegeben gewesen sei. Ein Radfahrer behalte sein Vorrecht gegenüber kreuzenden und einbiegenden Fahrzeugen auch dann, wenn er verbotswidrig den linken von zwei vorhandenen Radwegen nutze. Allerdings entschied es für ein 1/3 Mitverschulden der Klägerin, da sie den Radweg verbotswidrig in die entgegengesetzte Richtung befahren hat.
Allerdings wird der Eigenhaftungsanteil nicht dadurch erhöht, dass die Radfahrerin keinen Schutzhelm getragen hat. Zur Unfallzeit (2013) habe keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer bestanden. Das Tragen von Fahrradhelmen habe zudem nicht dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprochen, was der BGH noch im Jahre 2014, bezogen auf einen Unfall aus dem Jahre 2011, festgestellt habe (BGH, Urt. v. 17.06.2014 – VI ZR 281/13).
Urteil des OLG Hamm vom 04.08.2017, Az.: 9 U 173/16